Zwei Gedichte

Hermann Karl Hesse

Alle Tode

Alle Tode bin ich schon gestorben,
Alle Tode will ich wieder sterben,
Sterben den holzernen Tod im Baum,
Sterben ben steinernen Tod im Berg,
Irdenen Tod im Sand,
Blatternen Tod im knisternden Sommergras
Ud denm armen, blutigen Menschentod.

Blume will ich wieder geboren werden,
Baum und Gras will ich geboren werden,
Fisch und Hirsch, Vogel und Schmetterling.
Und aus jeder Gestalt
Wird mich Sehnsucht reissen die Stufen
Zu dem letzten Leiden,
Zu den Leiden des Menschen hinan.

O zitternd gespannter Bogen,
Wenn der Sehnsucht rasende Faust
Beide Pole des Lebens
Zueinander zu biegen verlangst!
Oft noch und oftmals wieder
Wirst du mich jagen von Tod zu Geburt,
Der Gestaltungen schmerzvolle Bahn,
Der Gestaltlungen herrliche Bahn.
         1921
 


Die Kindheit

Du bist, mein feres Tal,
Verzaubert und versunken.
Oft hast du mir in Not und Qual
Empor aus deinem Schattenland gewunken
Und deine Marchenaugen aufgetan,
Dass ich entzuckt in kurzem Wahn
Mich ganz zu dir zuruck verlor.

O dunkles Tor,
O dukle Todesstunde,
Komm du her, dass sich gesunde
Und dass aus dieses Lebens Leere
Ich heim zu meinen Traumen kehre!
         1915



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