Auszug aus >Invasion rückwärts<

Lea Schneider

dornröschenprinzip: strategisches schlafen. wir sitzen im wartezimmer (failed state) und erinnern uns an die normalität, hören geräusche, den strom in der wand. plötzlich wacht einer auf, verpasst die beste stelle in seinem traum, legt das rückporto bei und hofft (dilettantischer buddhist). wir werfen ihm sein unsolidarisches glücklichsein vor. er tut so, als gäbe es jeden tag eine neue art, vom tisch aufzustehen; als wären unsere innenleben direkt von ikea, mit weißem lack und rentiermuster. niedlichkeit ist jetzt keine option, wir müssen vorsichtig sein. jeder raum enthält mindestens eine utopiegefahr, außerdem kaffeelöffel, stifte, blumentöpfe und fahrstuhleffekte: dinge, von denen man erstmal lernen muss, warum sie gefährlich sind.







ich wiederhole mich. irgendwo weiter vorn, wo sich der archetyp-modus eingeschaltet hat: weben, auftrennen, tausendundeine korrektur. zeit gewinnen, in der ich fäden lösen kann, die legosteine, plattenbauten, stück für stück auseinanderrupfen, die burg schleifen, abtragen bis zur hartplastik-basis, auf der sie steht, und dort ein schutzgebiet einrichten, standheizung inklusive. sofern meine sicherheit das braucht: wärmezufuhr. ein mittel zur fixierung, wie prittstift oder redundanz. die schachtelgeschichten bis auf schulterhöhe stapeln, dann sofort wieder rückgängig machen, unerfüllbarkeit als erweitertes kriterium ihres gelingens. worauf es ankommt: kein ende zu finden, sondern fehler im plot, die ich ausbauen kann. ein versteck im cliffhanger, im ständigen verweisen, vor und zurück.







ende dezember, fettfilm auf den sätzen und wurmlöcher im jahr. der atem hockt unten in der lunge und will nicht rauskommen, ein ängstlicher rabe, eingewickelt in drei tage geschenkpapier. ein hdmoment, alles großgeschrieben und die finger gekreuzt, wie balken in der decke, die hände ineinander, halten die luft an, halten dicht. eine paradoxe intervention in den hohlraum zwischen ihnen, wo atmen ein zweifelndes geräusch ist, eine frische farbkruste: juckt es, heißt es, drunter heilts.







es gibt vielleicht keine tür, aber ganz sicher einen eingang – du musst dich nur entscheiden. reingehen also, an dieser stelle, und kein ende für den garten finden, untergrasig aber ein behältnis für bereits gespielte kiesel, und dich, in originalgröße. der winkel, in dem sie das wasser streifen. karpfenteiche, löcher im denken, über die ein schwarm noch nicht zu ende geübter gewohnheiten fliegt. von nahem wirken sie ungefährlich, wie schlupfige libellen. sickern hoch, flügellos und viele, erreichen die hügel, wo ein tabu nistet, kuchen isst und tetris mit den wurzeln spielt. (sykomoren, die vertragen das. wie die meisten bäume sehen sie aus, als sei ihre innenseite mit glasur bestrichen.) luftdichtes schachteln, krustenzucker. du beißt rein und knackst den code, versehentlich, zentrierst die teiche, stellst sie scharf.







abends im skatepark, ein automat in der mitte, druiden in trainingsanzügen am rand. flutlicht, das sie in fäden ziehen, wie gratinkäse. ihre beziehung zueinander ist die entfernung, die sie von den jeweils anderen trennt: sie bleibt immer gleich, auch wenn einer seine position verändert. sichtbar wird das durch bewegung, durch die fadenlänge, die – wie jede entscheidung – der schwerkraft folgt: invasion rückwärts, langsam leert sich der platz, fließt alles ab und füllt klärbecken, auffangstationen unterm asphalt. was vom licht übrig bleibt (der überlieferte teil) betätigt sich als gloriole über dem off, einem gebüsch hinter der halfpipe, und der automat weiß: jetzt muss er gut aussehen. sein schatten ist der einzige, der nicht durchs haarsieb passt; an ihm erkennt man das fehlen des rests.







auf dem foto läufst du durch ein feld. schulterblick: man weiß nie, was da hinter einem kommt, nur rückschauend ist alles kausal. auf dem foto gibt es plastikkanister und einen fremdkörper, der bewegt sich nicht. wie eine schaufensterauslage, der man ansieht, dass sie sich wundert. oberflächlich erschlossenes land, stellenweise schon rückgebaut wie das innenleben von schafen im ruhrgebiet. renaturierte schweigestellen, dazwischen die abkürzung, auf der du über kastanien läufst: dunkelbraune einschläge im feld.