von Über Berge, Menschen und insbesondere Bergschnecken
Anaïs Meier
Über Berge, Menschen und insbesondere Bergschnecken
Berge sind hoch und fies. Sie sind aus sehr grossem Stein, stehen da und zwingen sich auf. Berge sind ungemein selbstbezogen und dominant. Wenn man einen Berg ärgert, schickt er Lawinen. Im Winter aus Schnee und im Sommer aus Schlamm und Geröll.
Die kleinen Freunde der Berge sind die Bergbäche. Einzig sie werden vom Berg geduldet. Alle anderen hasst er. Die Bergbäche haben sich über Jahrtausende langsam eine kleine Zuneigung des Berges erschleichen können. Wobei erschleichen nicht ganz korrekt ist. Sie waren einfach da und sind geblieben, ohne auch nur einmal zu widersprechen. So lange spielten sie sein Spiel mit, dass sie eigentliche Lakaien des Berges wurden. Die Bergbäche tun alles, was der Berg ihnen befiehlt.
Am Berge merkt man, wer man ist. Manche sagen, am Berg vergisst man sich selbst. Die, die das sagen, haben sich dem Berg ebenfalls unterworfen. Sie akzeptieren, ja, huldigen der Dominanz des Berges. Sie sagen, sie finden das toll, und ziehen ihre Schneeschuhe an. Das tun sie, weil sie Angst haben. Menschliche Liebe zum Berg ist immer ein Sich-vor-ihm-verbeugen. Die Menschen ducken sich vor dem Berg, obwohl der Berg viel höher ist als die Menschen. Es wäre an ihm, sich zu ducken.
Für die Jugendlichen, die im Schatten von Bergen aufwachsen, ist es ein trauriges Dasein. Deshalb bringen sich manche von ihnen um. Andere, jene, die direkt auf dem Berg ihre Jugend verbringen, schnallen sich Bretter an die Füsse und bauen Schanzen.
Mit den Brettern hüpfen sie dann über die Schanzen und hören laut Skatepunk und bilden sich dabei ein, dass sie genauso viel, wenn nicht noch mehr Spass haben als die Jugend an fernen Orten. Eine Jugend, die Berge nicht kennt, nur breite Ebenen und Meere und grosse Städte, wo sie sich ausbreiten und entfalten kann.
Dass die Jugendlichen auf dem Berg ihre Jugend mit den Brettern, Schanzen und Skatepunk als glücklich empfinden, hat mit dem manipulativen Charakter des Berges zu tun. Er verdünnt die Luft um die Menschen, die auf ihm herumturnen, damit sie debil werden und denken, sie hätten eine gute Zeit.
Die Menschen, die älter geworden sind in der Nahe der Berge, also jene, die sich nicht umgebracht haben in deren immerwährendem Schatten, sind mittlerweile derart verzweifelt, dass sie aus Ton Menschen herstellen, die noch kleiner sind als sie selbst. Diesen kleineren Menscher ziehen sie bunte Kappen an und geben ihnen kleine Garteninstrumente in die Hände. Dann betten sle sle an lauschige Orte in ihren Gärten, was ihnen kurze Momente von Humor beschert.
Eigentlich ist ihr Verhalten aber nur ein Ventil für ihre Minderwertigkeitskomplexe, ausgelöst vom Gefühl des totalen Ausgeliefertseins, das man angesichts der Gewalt, die vom Berg ausgeht, verspürt. Das ist kein kurzer Moment von Humor, den die mittelalten mittelländischen Menschen verspüren, wen sie auf ihre Gartenzwerge schauen. Eigentlich geht es darum, dass sie sich auch wie ein Berg fühlen wollen. Die Menschen lieben ihre Gartenzwerge nicht, sie verachten sie. So wie der Berg die Menschen verachtet.
Es ist aber nicht so, dass der Berg gerne von den Menschen in Ruhe gelassen werden möchte. Im Gegenteil, oft putzt er sich heraus und macht auf schön und die Bergbäche und die Wolken, diese mitläuferischen Kreaturen, schminken ihn ansehnlich, so dass es die Menschen zu ihm hinzieht. Damit sie zu ihm hingehen und er sich lustig machen kann über sie.
Diejenigen, die oben auf den Bergen ihre Jugend mit den Brettern an den Füssen schanzenbauend verbracht haben, bekommen, wenn sie mittelalt werden, dicke braune Haut. Es ist Leder, das man aber nicht verarbeitet, weil die Menschen lieber den Tieren die Haut abziehen. Dies ebenfalls, um ihren Komplexen gegenüber den Bergen beizukommen. Die mittelalten Menschen in den Bergen ziehen es vor, Skilifte zu bauen, anstatt ihre Gesichter und Oberarme zu Handtaschen zu verarbeiten. Der Skilift ist eine Erfindung, die es einem erlaubt, aus einer Jugend, die man schanzenbauend mit einem Brett an den Füssen verbracht hat, bestmöglich Geld zu machen.
Mit dem Skilift, allgemein mit Technologie, versucht der Mensch, dem Berg zu imponieren. Dem Berg ist das völlig schnuppe. Manche Menschen, insbesondere jene, die selbst eine fast ebenso machtbezogene Persönlichkeitsstruktur haben wie Berge, treibt die herrische Gleichgültigkeit des Berges in den Wahnsinn. Umso stolzer sind sie auf die Technologie, weil die vom Menschen erfunden wurde und nicht vom Berg.
Diese Menschen, häufig aus dem Mittelland und deshalbnicht von der Höhenluft des Berges in die Debilität manipuliert, suchen sich höhere Positionen, von denen herab sie sich etwas grösser fühlen als die anderen Menschen und viel, viel grösser als Gartenzwerge. Das reicht ihnen aber nicht, denn was jene Menschen umtreibt, ist ihr tiefer, alles durchdringender Selbstwertkomplex dem Berg gegenüber. Deshalb bohren sie mit der Technologie grosse Löcher durch den Berg. Sie sagen, das sei wegen dem Import Export, der Import Export verbinde und Tunnels verbänden auch.
Der romantische Gedanke hinter dieser Aussage war einmal, dass hinter dem Berg noch mehr Menschen sein könnten, die genauso unter dem Berg leiden und mit denen man dann gemeinsam versuchen könnte, ihn in seiner Eitelkeit zu beleidigen.
Aber das einzige, was den Berg in seiner Eitelkeit beleidigen könnte, ist das Meer. Das liegt daran, dass das Meer eine sehr viel höhere sexuelle Anziehungskraft hat als der Berg. Am Meer werden Lieder mit beruhigendem Klang geschrieben, dass sich sofort alle Dinge der Welt in den Hüften wiegen. Aber das Meer ist sehr, sehr weit vom Berg und dem in ewigem Schatten liegenden Mittelland entfernt. Hier betrachten die Menschen weiterhin hasserfüllt ihre Gartenzwerge und in den Höhen betreiben die anderen, debil von der Luft, ihre Skilifte, und nie fragt sich jemand, wie es eigentlich den Bergschnecken geht.
Niemand weiss wirklich, wie es den Bergschnecken geht.
Chäs / Käse
Es ist der Käse, an dem man den Schweizer packen kann. Zieht man lange genug an einem Ende eines Schweizer Käses, hängt am anderen Ende ein Schweizer dran. Das liegt im Selbstverständnis des Schweizers, er hängt an seinem Käse.
Der Schweizer frisst ungemein viel davon. Am meisten im Winter. Ein Winter ohne Käse wäre für den Schweizer wie Auswandern, wie die Sendung «SRF bi de Lüt – Auf und Davon», man kann es sich noch so vornehmen, es wird sowieso schief gehen.
Der Schweizer frisst den Käse gleich zu Beginn des Winters, weil er diese Saison noch kein Fondue hatte. Dann frisst er ihn, weil er diese Saison noch kein Raclette hatte. Dann frisst er ihn, weil Weihnachten ist. Dann frisst er ihn am Weihnachtsessen bei den Schwiegereltern. Dann frisst er ihn an Silvester. Dann frisst er ihn, weil er im neuen Jahr noch keinen Käse gefressen hat. Dann frisst er ihn, weil er im Coop gerade 50% günstiger ist. Dann frisst er ihn, weil es im März kurz noch einmal kalt ist und es könnte in dieser Saison die letzte Gelegenheit für Fondue sein. Dann frisst er ihn, weil es im April nochmal schneit und das ist sicher die letzte Chance für Raclette diese Saison. Mit Saison meint der Schweizer den Skitourismus und flüssigen Käse.
Im Sommer frisst der Schweizer geschwellte Härdöpfel mit Käse. Aufgeschlossene Multikulti-Schweizer fressen im Sommer Griechischen Salat mit viel Feta. Dann sagen sie «Uh, ich habe sooo gern Feta» und ziehen den Mund seltsam in die Länge, weil sie das E im Wort Feta auch in die Länge ziehen müssen und zum Beweis ihrer kulinarischen Offenheit fällt ein bisschen Feta vom Zahn und aus dem Mund. Ein kleiner Rest bleibt an der Unterlippe hängen, denn ein bisschen Käse hängt dem Schweizer immer irgendwo im Gesicht.
Bodenständige Stüblischweizer fressen im Sommer Cervelat-Chässalat zur Grillade. Am 1. August zünden sie ein paar Raketen und machen Fondue, um den Nachbarn auf dem Campingplatz zu zeigen, wo dem Schweizer das Kreuz im Käse hängt. Um zu zeigen, dass die Schweiz die Käsenation ist. Die Schweiz und niemand anderes. Wann frisst der Franzose schon Käse als Hauptmahlzeit? Wann der Italiener?
Die Schweiz hat eine stolze Geschichte. Vor langer Zeit, als es die Schweiz offiziell noch gar nicht gab, gab es bereits den Käse. Die Urkühe, schön geschmückte Tiere wie zum Alpabzug, gingen damals noch ohne uns Menschen auf die Berge und wieder hinunter. Sie frassen das gute Gras der Alpen und auch das Gras vom Maiensäss und auch das Gras des Mittellandes. Die Urkühe wackelten immer etwas mit Kopf und Rumpf, damit ihre prunkvollen goldenen Glocken bimmelten und dabei tropfte immer wieder etwas Milch auf den reichen, nahrhaften Schweizer Boden. So wuchs der Urkäse, dessen Mycel exakt die Umrisse der Schweiz zeichnet.
Bald darauf entstand die Bevölkerung der Schweiz. Denn als stolz geschmückte Urkühe über den käsehaltigen Boden wackelten und Tropfen ihrer kostbaren Milch beifügten, entwuchs dem Boden die erste Generation der Schweizer. Die ersten Menschen waren aus Käse.
Noch heute hat jede Region anderen Käse. Es ist die Kombination aus der Zusammensetzung des dortigen Bodens und dem momentanen emotionalen Zustand der jeweiligen Urkuh, während sie den Urkäsemenschen schuf. Die Urkäsemenschen und die Urkühe führten von da an ein wunderbares Leben zusammen. Die Urkühe zeigten den Menschen die Berge und zogen mit ihnen auf das Maiensäss und die Alp. Die Urkäsemenschen himmelten die Urkühe an, weil sie so schön geschmückt waren und den totalen Durchblick hatten. Und wenn die Urkäsemenschen hungrig wurden, frassen sie einfach einander auf. Es waren glückliche Zeiten, bis Friedrich Schiller erschien. In einer Kutsche, einem Vierspänner, der von kräftigen Rottweilern gezogen wurde, erreichte er die Schweiz über die Deutsche Grenze. Leider verbreiteten sich die Rott-weiler hier sofort endemisch und töteten die Urkühe, bis diese fast ausgestorben waren. Die Urkäsemenschen bauten daraufhin Burgen, in denen sie die letzten Urkühe zu deren Schutz gefangen hielten. Bald kam den Urkäsemenschen eine gute Idee und sie begannen, die Urkühe systematisch auszunutzen. Das war der Beginn der modernen Käseindustrie.
Der Schweizer erkennt sich selbst in seinem Käse. In der Schweiz haben alle Vorfahren, die noch selber gekäst haben. Früher käste man auf der Alp, man käste auf dem Maiensäss und im Mittelland und im Unterland käste man auch und mancherorts machte man daneben noch schnell ein paar Uhren. Wenn der Schweizer älter wird, wird die Rinde härter, aber in seinem Herzen brodelt der Käse noch immer heiss und flüssig.
Berge sind hoch und fies. Sie sind aus sehr grossem Stein, stehen da und zwingen sich auf. Berge sind ungemein selbstbezogen und dominant. Wenn man einen Berg ärgert, schickt er Lawinen. Im Winter aus Schnee und im Sommer aus Schlamm und Geröll.
Die kleinen Freunde der Berge sind die Bergbäche. Einzig sie werden vom Berg geduldet. Alle anderen hasst er. Die Bergbäche haben sich über Jahrtausende langsam eine kleine Zuneigung des Berges erschleichen können. Wobei erschleichen nicht ganz korrekt ist. Sie waren einfach da und sind geblieben, ohne auch nur einmal zu widersprechen. So lange spielten sie sein Spiel mit, dass sie eigentliche Lakaien des Berges wurden. Die Bergbäche tun alles, was der Berg ihnen befiehlt.
Am Berge merkt man, wer man ist. Manche sagen, am Berg vergisst man sich selbst. Die, die das sagen, haben sich dem Berg ebenfalls unterworfen. Sie akzeptieren, ja, huldigen der Dominanz des Berges. Sie sagen, sie finden das toll, und ziehen ihre Schneeschuhe an. Das tun sie, weil sie Angst haben. Menschliche Liebe zum Berg ist immer ein Sich-vor-ihm-verbeugen. Die Menschen ducken sich vor dem Berg, obwohl der Berg viel höher ist als die Menschen. Es wäre an ihm, sich zu ducken.
Für die Jugendlichen, die im Schatten von Bergen aufwachsen, ist es ein trauriges Dasein. Deshalb bringen sich manche von ihnen um. Andere, jene, die direkt auf dem Berg ihre Jugend verbringen, schnallen sich Bretter an die Füsse und bauen Schanzen.
Mit den Brettern hüpfen sie dann über die Schanzen und hören laut Skatepunk und bilden sich dabei ein, dass sie genauso viel, wenn nicht noch mehr Spass haben als die Jugend an fernen Orten. Eine Jugend, die Berge nicht kennt, nur breite Ebenen und Meere und grosse Städte, wo sie sich ausbreiten und entfalten kann.
Dass die Jugendlichen auf dem Berg ihre Jugend mit den Brettern, Schanzen und Skatepunk als glücklich empfinden, hat mit dem manipulativen Charakter des Berges zu tun. Er verdünnt die Luft um die Menschen, die auf ihm herumturnen, damit sie debil werden und denken, sie hätten eine gute Zeit.
Die Menschen, die älter geworden sind in der Nahe der Berge, also jene, die sich nicht umgebracht haben in deren immerwährendem Schatten, sind mittlerweile derart verzweifelt, dass sie aus Ton Menschen herstellen, die noch kleiner sind als sie selbst. Diesen kleineren Menscher ziehen sie bunte Kappen an und geben ihnen kleine Garteninstrumente in die Hände. Dann betten sle sle an lauschige Orte in ihren Gärten, was ihnen kurze Momente von Humor beschert.
Eigentlich ist ihr Verhalten aber nur ein Ventil für ihre Minderwertigkeitskomplexe, ausgelöst vom Gefühl des totalen Ausgeliefertseins, das man angesichts der Gewalt, die vom Berg ausgeht, verspürt. Das ist kein kurzer Moment von Humor, den die mittelalten mittelländischen Menschen verspüren, wen sie auf ihre Gartenzwerge schauen. Eigentlich geht es darum, dass sie sich auch wie ein Berg fühlen wollen. Die Menschen lieben ihre Gartenzwerge nicht, sie verachten sie. So wie der Berg die Menschen verachtet.
Es ist aber nicht so, dass der Berg gerne von den Menschen in Ruhe gelassen werden möchte. Im Gegenteil, oft putzt er sich heraus und macht auf schön und die Bergbäche und die Wolken, diese mitläuferischen Kreaturen, schminken ihn ansehnlich, so dass es die Menschen zu ihm hinzieht. Damit sie zu ihm hingehen und er sich lustig machen kann über sie.
Diejenigen, die oben auf den Bergen ihre Jugend mit den Brettern an den Füssen schanzenbauend verbracht haben, bekommen, wenn sie mittelalt werden, dicke braune Haut. Es ist Leder, das man aber nicht verarbeitet, weil die Menschen lieber den Tieren die Haut abziehen. Dies ebenfalls, um ihren Komplexen gegenüber den Bergen beizukommen. Die mittelalten Menschen in den Bergen ziehen es vor, Skilifte zu bauen, anstatt ihre Gesichter und Oberarme zu Handtaschen zu verarbeiten. Der Skilift ist eine Erfindung, die es einem erlaubt, aus einer Jugend, die man schanzenbauend mit einem Brett an den Füssen verbracht hat, bestmöglich Geld zu machen.
Mit dem Skilift, allgemein mit Technologie, versucht der Mensch, dem Berg zu imponieren. Dem Berg ist das völlig schnuppe. Manche Menschen, insbesondere jene, die selbst eine fast ebenso machtbezogene Persönlichkeitsstruktur haben wie Berge, treibt die herrische Gleichgültigkeit des Berges in den Wahnsinn. Umso stolzer sind sie auf die Technologie, weil die vom Menschen erfunden wurde und nicht vom Berg.
Diese Menschen, häufig aus dem Mittelland und deshalbnicht von der Höhenluft des Berges in die Debilität manipuliert, suchen sich höhere Positionen, von denen herab sie sich etwas grösser fühlen als die anderen Menschen und viel, viel grösser als Gartenzwerge. Das reicht ihnen aber nicht, denn was jene Menschen umtreibt, ist ihr tiefer, alles durchdringender Selbstwertkomplex dem Berg gegenüber. Deshalb bohren sie mit der Technologie grosse Löcher durch den Berg. Sie sagen, das sei wegen dem Import Export, der Import Export verbinde und Tunnels verbänden auch.
Der romantische Gedanke hinter dieser Aussage war einmal, dass hinter dem Berg noch mehr Menschen sein könnten, die genauso unter dem Berg leiden und mit denen man dann gemeinsam versuchen könnte, ihn in seiner Eitelkeit zu beleidigen.
Aber das einzige, was den Berg in seiner Eitelkeit beleidigen könnte, ist das Meer. Das liegt daran, dass das Meer eine sehr viel höhere sexuelle Anziehungskraft hat als der Berg. Am Meer werden Lieder mit beruhigendem Klang geschrieben, dass sich sofort alle Dinge der Welt in den Hüften wiegen. Aber das Meer ist sehr, sehr weit vom Berg und dem in ewigem Schatten liegenden Mittelland entfernt. Hier betrachten die Menschen weiterhin hasserfüllt ihre Gartenzwerge und in den Höhen betreiben die anderen, debil von der Luft, ihre Skilifte, und nie fragt sich jemand, wie es eigentlich den Bergschnecken geht.
Niemand weiss wirklich, wie es den Bergschnecken geht.
Chäs / Käse
Es ist der Käse, an dem man den Schweizer packen kann. Zieht man lange genug an einem Ende eines Schweizer Käses, hängt am anderen Ende ein Schweizer dran. Das liegt im Selbstverständnis des Schweizers, er hängt an seinem Käse.
Der Schweizer frisst ungemein viel davon. Am meisten im Winter. Ein Winter ohne Käse wäre für den Schweizer wie Auswandern, wie die Sendung «SRF bi de Lüt – Auf und Davon», man kann es sich noch so vornehmen, es wird sowieso schief gehen.
Der Schweizer frisst den Käse gleich zu Beginn des Winters, weil er diese Saison noch kein Fondue hatte. Dann frisst er ihn, weil er diese Saison noch kein Raclette hatte. Dann frisst er ihn, weil Weihnachten ist. Dann frisst er ihn am Weihnachtsessen bei den Schwiegereltern. Dann frisst er ihn an Silvester. Dann frisst er ihn, weil er im neuen Jahr noch keinen Käse gefressen hat. Dann frisst er ihn, weil er im Coop gerade 50% günstiger ist. Dann frisst er ihn, weil es im März kurz noch einmal kalt ist und es könnte in dieser Saison die letzte Gelegenheit für Fondue sein. Dann frisst er ihn, weil es im April nochmal schneit und das ist sicher die letzte Chance für Raclette diese Saison. Mit Saison meint der Schweizer den Skitourismus und flüssigen Käse.
Im Sommer frisst der Schweizer geschwellte Härdöpfel mit Käse. Aufgeschlossene Multikulti-Schweizer fressen im Sommer Griechischen Salat mit viel Feta. Dann sagen sie «Uh, ich habe sooo gern Feta» und ziehen den Mund seltsam in die Länge, weil sie das E im Wort Feta auch in die Länge ziehen müssen und zum Beweis ihrer kulinarischen Offenheit fällt ein bisschen Feta vom Zahn und aus dem Mund. Ein kleiner Rest bleibt an der Unterlippe hängen, denn ein bisschen Käse hängt dem Schweizer immer irgendwo im Gesicht.
Bodenständige Stüblischweizer fressen im Sommer Cervelat-Chässalat zur Grillade. Am 1. August zünden sie ein paar Raketen und machen Fondue, um den Nachbarn auf dem Campingplatz zu zeigen, wo dem Schweizer das Kreuz im Käse hängt. Um zu zeigen, dass die Schweiz die Käsenation ist. Die Schweiz und niemand anderes. Wann frisst der Franzose schon Käse als Hauptmahlzeit? Wann der Italiener?
Die Schweiz hat eine stolze Geschichte. Vor langer Zeit, als es die Schweiz offiziell noch gar nicht gab, gab es bereits den Käse. Die Urkühe, schön geschmückte Tiere wie zum Alpabzug, gingen damals noch ohne uns Menschen auf die Berge und wieder hinunter. Sie frassen das gute Gras der Alpen und auch das Gras vom Maiensäss und auch das Gras des Mittellandes. Die Urkühe wackelten immer etwas mit Kopf und Rumpf, damit ihre prunkvollen goldenen Glocken bimmelten und dabei tropfte immer wieder etwas Milch auf den reichen, nahrhaften Schweizer Boden. So wuchs der Urkäse, dessen Mycel exakt die Umrisse der Schweiz zeichnet.
Bald darauf entstand die Bevölkerung der Schweiz. Denn als stolz geschmückte Urkühe über den käsehaltigen Boden wackelten und Tropfen ihrer kostbaren Milch beifügten, entwuchs dem Boden die erste Generation der Schweizer. Die ersten Menschen waren aus Käse.
Noch heute hat jede Region anderen Käse. Es ist die Kombination aus der Zusammensetzung des dortigen Bodens und dem momentanen emotionalen Zustand der jeweiligen Urkuh, während sie den Urkäsemenschen schuf. Die Urkäsemenschen und die Urkühe führten von da an ein wunderbares Leben zusammen. Die Urkühe zeigten den Menschen die Berge und zogen mit ihnen auf das Maiensäss und die Alp. Die Urkäsemenschen himmelten die Urkühe an, weil sie so schön geschmückt waren und den totalen Durchblick hatten. Und wenn die Urkäsemenschen hungrig wurden, frassen sie einfach einander auf. Es waren glückliche Zeiten, bis Friedrich Schiller erschien. In einer Kutsche, einem Vierspänner, der von kräftigen Rottweilern gezogen wurde, erreichte er die Schweiz über die Deutsche Grenze. Leider verbreiteten sich die Rott-weiler hier sofort endemisch und töteten die Urkühe, bis diese fast ausgestorben waren. Die Urkäsemenschen bauten daraufhin Burgen, in denen sie die letzten Urkühe zu deren Schutz gefangen hielten. Bald kam den Urkäsemenschen eine gute Idee und sie begannen, die Urkühe systematisch auszunutzen. Das war der Beginn der modernen Käseindustrie.
Der Schweizer erkennt sich selbst in seinem Käse. In der Schweiz haben alle Vorfahren, die noch selber gekäst haben. Früher käste man auf der Alp, man käste auf dem Maiensäss und im Mittelland und im Unterland käste man auch und mancherorts machte man daneben noch schnell ein paar Uhren. Wenn der Schweizer älter wird, wird die Rinde härter, aber in seinem Herzen brodelt der Käse noch immer heiss und flüssig.