Entdeckung hinter dem Haus
Ror Wolf
Hinter meinem Haus habe ich jetzt einen Teich entdeckt. Ich erinnere mich nicht, ihn früher dort gesehen zu haben, aber gestern, bei einem Abendspaziergang, stand ich plötzlich vor ihm. Ich sprang, nachdem ich in die Hose gefahren, in die Schuhe getreten, in die Jacke geschlüpft war, mit einem Satz aus der Tür und sah ihn liegen. Ich hatte die Hintertreppe genommen, die Tür aufgestoßen, da lag er, mit seinen schönen weit ausschwingenden Rundungen, vom Mondlicht beschienen. Ich hörte in diesem Moment das Anschlagen der Wellen und das Geschrei der Möwen, die über ihn hinstrichen, das Quaken der Frösche im Röhricht, das Schmatzen der Fische, die über den Wasserspiegel hinaussprangen und zurückfielen. Mit einem Sprung aus der Tür stand ich vor ihm und dachte, wobei ich den Geruch von Teichrosen einsog und den Hut, den ich bei meinen Spaziergängen nicht vergesse, abnahm: gewiss, es ist kein großer Teich, das ist richtig, aber er hat doch, wenigstens für meine Vorstellungen, überraschende Ausmaße. Ich wundere mich, dass ihn außer mir niemand bemerkt zu haben scheint. Meine Nachbarn reden nicht davon, sie gehen herum mit ihren Gesichtern, die Hände um die Hosenträger gekrallt, kauen ihre Sonnenblumenkerne und führen, nach dem Ausspucken, die üblichen Gespräche von den Ereignissen in der Nachbarstadt, ohne dem Naheliegenden Beachtung zu schenken.
Ich bin sicher, wenn sie in ihren Überziehern vor meinem Haus auf und ab laufen, ihre Stöcke schwenken und mit ihnen auf die in der Ferne auftauchenden Gegenstände deuten, die schließlich als Radfahrer und Fußgänger herankommen, wollen sie mich nur täuschen, denn in Wirklichkeit deuten sie auf das Fenster, hinter dem ich stehe, beschreiben eine schwarze, vom Mond beschienene Nacht, kratzen mit ihren Stöcken in einem einzigen Schwung die Form des Teiches auf den Erdboden und machen vor, wie ich im Sprung über die Hintertreppe aus der Tür herauskomme.
Mit ihren Stöcken treffen sie mich nach und nach am ganzen Körper. Es mag sein, dass sich, wenn ich alles in Betracht zöge, was mich schützen könnte, wozu nicht einmal ein Nachdenken nötig ware, denn dieser Gedanke ist mir als ein alter Gedanke immer im Kopf, dass sich, wenn ich die Hände vor mein Gesicht hielte und den dicken sibirischen Pelz anzöge, kaum eine Möglichkeit böte, mich zu treffen, es sei denn zwischen den Fingern, in die Sehschlitze für meine Augen. Aber den Pelz hält meine Frau unter Verschluss, und die Hände, geschwächt wie sie sind, hebe ich kaum bis zur Brust, geschweige denn bis zum Kopf.
Darum biege ich, wenn sie kommen, sie kommen hüpfend, mit geschwungenen Stöcken, rasch um die Ecke, verschwinde hinter dem Haus, tauche hinein in die Hintertür und komme von dort mit einem einzigen Sprung über die Treppe durch die Tür über den Vorplatz ins Zimmer hinein in mein Bett.
Dort liege ich nachts, das Zimmer ist schwarz, von einer gewissen hölzernen Hohlheit, und schlafe, oder schlafe noch nicht, sondern wache, oder auch das nicht, vielmehr gehe ich hin und her, höre das Schnarchen meiner Frau, das aus der Kammer dringt, und beginne mich zu erinnern. Ich trat aus dem Haus in den Garten, der Wind wehte und bewegte die Oberfläche des Wassers, in der sich der Mond spiegelte, dann nahm ich den Hut ab in dieser Nacht. Das waren meine Gedanken, doch nun, nachdem ich den Teich gesehen habe, fällt mir auch ein, dass ich schon lange in stillen Nächten das Klatschen von Wellen gehört habe, die gegen die Mauern schlugen, das leise schmatzende Anschlagen des Wassers und der Gesang von Wasservögeln kam zusammen mit dem schweren Ächzen meiner Frau und ihrem harten Herumwälzen im Bett in mein Zimmer herein, zusammen mit den kreischenden Schreien, die sie im Schlaf ausstößt. Jetzt fällt mir auch ein, dass ich meine Frau, die man sich mit rotem Gesicht und einer turmartigen oder helmartigen Frisur vorzustellen hat, seit einiger Zeit nicht gesehen habe, die Küche war leer, sooft ich den Kopf hineinsteckte, die Töpfe standen umgekippt im Ausguss, die Teller waren von Speiseresten überkrustet, von fettigen Häuten, schwärzlich verglasten Kartoffelbrocken, die Schüsseln, aufgetürmt, mit eingetrocknetem Schmalz, die Tassen mit Kaffeesatz, der Abfluss von fasrigen Rückständen verstopft. Ich erinnere mich, dass ich am Ausguss stand, um den Wasserhahn zu schließen, dessen Plätschern und Tropfen mich aus dem Bett getrieben hatte, ich rief in diesem Moment, ich trat vom Ausguss zurück, nach meiner Frau und ging, als ich keine Antwort erhielt, wieder zurück ins Bett. Ich dachte mir nichts dabei, wo bist du, rief ich, sie antwortete nicht, sie ist nicht da, dachte ich, wohin mag sie gegangen sein. Das waren meine Gedanken, und noch einmal rief ich, wo bist du, aber sie blieb verschwunden. In diesem Moment, ich sah das Bett mit der zurückgeklappten Decke, dachte ich mir nichts dabei, aber nun, wo ich darauf zurückkomme, wo alle Bilder wieder auftauchen, die leere Küche, der leere Gang, die offenstehende Tür, glaube ich, dass sie hinter meinem Haus, im Teich, auf den sie nicht vorbereitet war, als sie mit ihrem birnenförmigen Gesicht Blumen oder, wahrscheinlicher, Birnen oder, wahrscheinlicher, Küchenkräuter holen ging, mit weit aufgehaltener Schürze ertrunken ist.
Das werde ich meinen Nachbarn sagen, sie müssen mir suchen helfen. Ich hole meine Stange, dafür bin ich eingerichtet, im Grunde rechne ich mit allem. Dort lehnt sie im Keller, hinter den Kartoffeln, ganz vom Schwamm überzogen. Die Nachbarn sitzen im Kretscham. Ich höre ihr stoßendes Gelächter aufsteigen und das knallende Zurückstellen der Bierkrüge nach dem Trinken, ich liebe ihre Zusammenkünfte nicht, eher schon meine Frau, sie setzt sich an ihren Tisch, trinkt aus ihren Krügen, beißt von ihren Würsten ab und am Ende, alles ist ausgetrunken, alles abgegessen, hängt sie sich bei ihnen ein, schaukelnd treten sie den Weg zu meinem Haus an, verschließen die Kammertür, und ich höre das Schütteln und Knarren der Bettstelle.
Von dieser Seite besehen kann ich zufrieden sein, dass sie ertrunken ist. Eigentlich bin ich es auch. In meinem Haus ist es ruhig, schöne Stille, ich liege im Bett und überdenke meine Verhältnisse. Es geht mir nicht schlecht, ich klage nicht, ich habe ein Haus, einen Garten, der nach rechts ansteigt, sich erhebt und in der Ferne verschwindet, ich habe den Birnbaum, der in diesem Birnenjahr im Hintergrund knarrt, den Schuppen mit dem Hackklotz, dem Grabscheit, der Harke, und nun habe ich auch einen Teich hinter dem Haus. Vom Hinterzimmer aus betrachtet ist er von länglicher, ovaler Form, und ich, ein Spaziergänger, ein Bummler, ein In-die-Luft-Gucker, selbst hier am Fenster noch, wo ich nun stehe, ich denke mich in dieser Jahreszeit im Hemd, könnte meinen gelben Gartenhut auf dem Kopf haben, die grüne Schürze um den Leib gebunden, auf meinen leichten luftigen Gartenschuhen tänzelnd über den knirschenden Kiesweg springen. An einem solchen Tag, nehmen wir an, an dem ich die Tür zum Schuppen öffne und die Harke ergreife, wird man mich sehen können, in meinem nach rechts ansteigenden Garten, die Harke geschultert vor Sonnenuntergang, bei meinem luftspringenden Gehen, so müsste es sein, halb in der Vorstellung, halb in der Wirklichkeit hüpfend. An einem solchen Tag, wie ich ihn mir vom Hinterzimmer aus vorstelle, am Abend, bleiben die Geräusche meiner Nachbarn, das Klatschen der Karten, das Zuklappen ihrer Krüge, aus, und ich höre statt dessen das Zwitschern der Vögel, das Glucksen des Wassers im Teich, unter dessen unbewegter Oberfläche die Fische ruhig entlangziehen. Aber in diesem Teich, fällt mir ein, im Dunkeln des Wassers, auf seinem Grund, liegt meine Frau. Mit ihrem schweren aufgeschwemmten Körper, ihrer aufgehaltenen Schürze, ihrem birnenförmigen Gesicht, zwischen den gleitenden flatternden Schlingpflanzen, mit dem aufgeklappten Mund, den Stichlingen in der Mundhöhle, an der Zunge, den Lippen, den Stichlingen festgebissen, mit peitschenden Schwänzen, zappelnd, mit ihrem tropfenförmigen Gesicht, den Stichlingen schwärmend verbissen, dem aufgetriebenen Bauch, den schwarz auf den Schenkeln platzenden Strumpfbändern, den Binsen, den Rohrkolben, der aufgeknöpften Bluse, dem Aufwühlen des Grundschlamms, den Karpfen, den Hechten, in günstigen Lagen zwei Meter lang, dem aufgeklappten Mund, den eingegrabenen Zähnen, dem aufgedunsenen glitschigen Körper, dem zugeklappten Mund, dem weich aufsteigenden Blut, dem Wedeln und Wehen der Wasserpflanzen, den eingeschlagenen Zähnen, dem sich aufbauschenden Rock und, auf der Oberfläche davontreibend, der Schürze mit ausgerupften Küchenkräutern.
Wenn ich meine Frau jetzt, in diesem Zustand, mit dieser Stange herausfische, wenn ich sie in mein Boot ziehe und den Nachbarn zeige, die am Ufer stehen, dann werden sie glauben, ich hätte sie in den Teich gestoßen, mit einem Stein um den Hals, in der untergehenden Sonne, bei einem Abendspaziergang. Einer von ihnen erinnert sich dann an den Schrei, den er gehört hat. Ein anderer spricht von dem Klatschen, das ein Körper, ins aufspritzende Wasser geworfen, erzeugt. Ein Dritter schließlich erwähnt mein Gelächter bei ihrem zappelnden Untergehen, bei ihrem Hinabsinken im Mondlicht hinter dem Haus. Nein, ich suche sie nicht, es ist besser, sie bleibt, wo sie ist, denn wenn sie nicht in der Küche ist, dann wird sie schon in der Kammer sein, und ist sie nicht dort, dann ist sie an einer anderen Stelle und es gefällt ihr, sie spannt ihren Schirm auf, nippt an ihrer Schokolade, legt ihr Korsett ab. Nein, ich, in meinen Pantoffeln im Hinterzimmer, auf das Fensterbrett gestützt, im Schlafrock, ich suche sie nicht, denn wo sie ist, da soll sie auch bleiben, an einem Tisch, auf einer Promenade, Militärmusik spielt, in der Eisenbahn und dort im Abteil für Raucher, mit einem Begleiter, schaukelnd im Takt der Räder.
Die Stange bleibt in der Ecke, im Keller, hinter den keimenden Kartoffeln. Was also, denke ich, während ich das Fenster schließe, ist nun zu tun. Ich glaube, das ist einfach, den Teich, obwohl ich ihn gern sehe, mit seiner bewegungslosen Oberflache, ich schütte ihn zu, ich lasse ihn verschwinden, in einer langen Nacht ist das leicht, ich schütte ihn zu. Mit Erde von meinen Blumenbeeten, Erde von meinem Komposthaufen, mit meinen Einkellerkartoffeln, hinein mit den Kartoffeln, meinem Hausbrand, dazu mit dem Hausbrand, mit dem Eingemachten, dem Gelee, dem Backobst, alles dazu, den Kleidern meiner Frau, dem Stuck Streuselkuchen, vom Morgen übriggeblieben, dem Kanapee und den Gardinen aus dem Wohnzimmer und den Serviettenringen und dem Besuchersessel, dem Kronleuchter, dem Glas Hering in Tomatensauce, dem Gartenschlauch, dem Opernglas, dem Geschirr aus dem Ausguss, dem Photo aus der Zeit mit meiner Frau auf der Reise in die Berge und dem Bleistiftspitzer in Form eines kleinen Globusses und meiner Hutklemme, nein, meiner Hutklemme nicht, dem Buch rautenkranz, dem Buch beerenobst, dem Buch birnenernte und einer Reihe anderer Bücher über die Tätigkeiten im Garten.
So. Der Teich ist zu. Meine Nachbarn, was wollt ihr noch, nun kann euch nichts stören, nichts, ihr könnt euch nichts denken, nichts vorstellen, nichts. Ich werde mich fortmachen, über die Berge, es hält mich nichts mehr, die Gelegenheit ist gekommen, mein Haus ist leer, mein Garten, dieser nach rechts sich erhebende Garten; abgegrast der Garten, mein Teich, zugeschüttet der Teich, ich kann gehen. Durch das Hinterfenster fällt das Licht der aufsteigenden Sonne, ich streife die Handschuhe über die Hände, es ist Zeit, denke ich, knöpfe meine Galoschen zu, den Nachbarn, denke ich, kommen die Gedanken beim Sitzen, rücke den Knoten meiner Krawatte zurecht, sie vermuten vielleicht, ich hätte den Teich zugeschüttet, um die Leiche meiner Frau zu verbergen, stülpe den Hut über den blanken, von der Morgensonne erwärmten Schädel, dann wäre, denke ich, alles umsonst gewesen, ziehe den Rock, wo ist der Rock, den schwarzen Rock über, schiebe etwas Wegzehrung in die Tasche, es ist wahr, denke ich, ich muss mich beeilen, nehme den Schirm von der Wand, falls es Regen gibt, ich werde nicht gern nass, ich liebe das Wasser nicht, schon der bloße Gedanke an Wasser, an einen Tümpel, einen Teich, einen noch so kleinen, macht mir Unbehagen, ich habe, denke ich, keine Zeit zu verlieren, springe die Treppe hinab, stehe schon auf der Straße, fort, denke ich, das ist das Nötigste, klopfe die Taschen noch einmal ab, aha, meine Fahrkarte, ich vergaß sie, also wieder zurück und hinauf, ich nehme die Beine in die Hand und erreiche den Schrank, wo sie liegen muss.
Beim Tasten zwischen gestärkten frisch duftenden Laken werfe ich einen letzten Blick aus dem Fenster, es ist Morgen, ein schöner Tag. Drüben verlassen die Nachbarn den Kretscham. Sie bewegen sich schwankend mit geschüttelten Stöcken auf mein Haus zu, der erste, es ist Beck, steht schon im Garten, der Bierschaum hängt noch an seinem Bart, wo sind Sie, ruft er. Ich ducke mich also und suche die Karte. Das Tropfen des Wasserhahns kommt aus der Küche. Wir sind gekommen, um Ihre Frau zu suchen, ruft Beck, wo ist sie, wo ist Ihre Frau. Ich halte die Ohren zu und stürze zum Hinterausgang, die Treppe hinab, atemlos im Sprung aus der Tür, durch den Garten sehe ich schon den Teich, zugeschüttet der Teich, denke ich, ich kann denken, ich laufe, ich möchte es wirklich beschreiben können, hinter mir höre ich ihr Keuchen und das Stampfen ihrer Schritte, wo ist sie, schreit Beck und schwenkt seinen Stock, wo ist Ihre Frau. Ich komme am Schuppen vorbei, dort steht schon der Baum mit den Birnen, ich habe ihn lange begossen, gepflegt und bespritzt, geradegebunden und ausgeschnitten, ich habe den weißen Ring um den Stamm gezogen und die Vogel verscheucht, die Wühlmäuse erschlagen, und wahrend ich laufe, denke ich an das Klatschen des Grabscheits, an das Quieken der kleinen grauen zappelnden Körper, an das Hochheben und Ansetzen des Obstpflückers, an das Kreischen meiner Frau mit der aufgehaltenen Schürze, breitbeinig in der Abendluft, an das weiche Herabklatschen der Birnen. Das sind die Gedanken, wahrend ich laufe, am Schuppen vorbei und weiter am Birnbaum vorbei und immer weiter mit diesen Gedanken, mein Haus schrumpft zusammen und verschwindet im Hintergrund, wahrend ich laufe und laufe weiter und weiter.
Ich bin sicher, wenn sie in ihren Überziehern vor meinem Haus auf und ab laufen, ihre Stöcke schwenken und mit ihnen auf die in der Ferne auftauchenden Gegenstände deuten, die schließlich als Radfahrer und Fußgänger herankommen, wollen sie mich nur täuschen, denn in Wirklichkeit deuten sie auf das Fenster, hinter dem ich stehe, beschreiben eine schwarze, vom Mond beschienene Nacht, kratzen mit ihren Stöcken in einem einzigen Schwung die Form des Teiches auf den Erdboden und machen vor, wie ich im Sprung über die Hintertreppe aus der Tür herauskomme.
Mit ihren Stöcken treffen sie mich nach und nach am ganzen Körper. Es mag sein, dass sich, wenn ich alles in Betracht zöge, was mich schützen könnte, wozu nicht einmal ein Nachdenken nötig ware, denn dieser Gedanke ist mir als ein alter Gedanke immer im Kopf, dass sich, wenn ich die Hände vor mein Gesicht hielte und den dicken sibirischen Pelz anzöge, kaum eine Möglichkeit böte, mich zu treffen, es sei denn zwischen den Fingern, in die Sehschlitze für meine Augen. Aber den Pelz hält meine Frau unter Verschluss, und die Hände, geschwächt wie sie sind, hebe ich kaum bis zur Brust, geschweige denn bis zum Kopf.
Darum biege ich, wenn sie kommen, sie kommen hüpfend, mit geschwungenen Stöcken, rasch um die Ecke, verschwinde hinter dem Haus, tauche hinein in die Hintertür und komme von dort mit einem einzigen Sprung über die Treppe durch die Tür über den Vorplatz ins Zimmer hinein in mein Bett.
Dort liege ich nachts, das Zimmer ist schwarz, von einer gewissen hölzernen Hohlheit, und schlafe, oder schlafe noch nicht, sondern wache, oder auch das nicht, vielmehr gehe ich hin und her, höre das Schnarchen meiner Frau, das aus der Kammer dringt, und beginne mich zu erinnern. Ich trat aus dem Haus in den Garten, der Wind wehte und bewegte die Oberfläche des Wassers, in der sich der Mond spiegelte, dann nahm ich den Hut ab in dieser Nacht. Das waren meine Gedanken, doch nun, nachdem ich den Teich gesehen habe, fällt mir auch ein, dass ich schon lange in stillen Nächten das Klatschen von Wellen gehört habe, die gegen die Mauern schlugen, das leise schmatzende Anschlagen des Wassers und der Gesang von Wasservögeln kam zusammen mit dem schweren Ächzen meiner Frau und ihrem harten Herumwälzen im Bett in mein Zimmer herein, zusammen mit den kreischenden Schreien, die sie im Schlaf ausstößt. Jetzt fällt mir auch ein, dass ich meine Frau, die man sich mit rotem Gesicht und einer turmartigen oder helmartigen Frisur vorzustellen hat, seit einiger Zeit nicht gesehen habe, die Küche war leer, sooft ich den Kopf hineinsteckte, die Töpfe standen umgekippt im Ausguss, die Teller waren von Speiseresten überkrustet, von fettigen Häuten, schwärzlich verglasten Kartoffelbrocken, die Schüsseln, aufgetürmt, mit eingetrocknetem Schmalz, die Tassen mit Kaffeesatz, der Abfluss von fasrigen Rückständen verstopft. Ich erinnere mich, dass ich am Ausguss stand, um den Wasserhahn zu schließen, dessen Plätschern und Tropfen mich aus dem Bett getrieben hatte, ich rief in diesem Moment, ich trat vom Ausguss zurück, nach meiner Frau und ging, als ich keine Antwort erhielt, wieder zurück ins Bett. Ich dachte mir nichts dabei, wo bist du, rief ich, sie antwortete nicht, sie ist nicht da, dachte ich, wohin mag sie gegangen sein. Das waren meine Gedanken, und noch einmal rief ich, wo bist du, aber sie blieb verschwunden. In diesem Moment, ich sah das Bett mit der zurückgeklappten Decke, dachte ich mir nichts dabei, aber nun, wo ich darauf zurückkomme, wo alle Bilder wieder auftauchen, die leere Küche, der leere Gang, die offenstehende Tür, glaube ich, dass sie hinter meinem Haus, im Teich, auf den sie nicht vorbereitet war, als sie mit ihrem birnenförmigen Gesicht Blumen oder, wahrscheinlicher, Birnen oder, wahrscheinlicher, Küchenkräuter holen ging, mit weit aufgehaltener Schürze ertrunken ist.
Das werde ich meinen Nachbarn sagen, sie müssen mir suchen helfen. Ich hole meine Stange, dafür bin ich eingerichtet, im Grunde rechne ich mit allem. Dort lehnt sie im Keller, hinter den Kartoffeln, ganz vom Schwamm überzogen. Die Nachbarn sitzen im Kretscham. Ich höre ihr stoßendes Gelächter aufsteigen und das knallende Zurückstellen der Bierkrüge nach dem Trinken, ich liebe ihre Zusammenkünfte nicht, eher schon meine Frau, sie setzt sich an ihren Tisch, trinkt aus ihren Krügen, beißt von ihren Würsten ab und am Ende, alles ist ausgetrunken, alles abgegessen, hängt sie sich bei ihnen ein, schaukelnd treten sie den Weg zu meinem Haus an, verschließen die Kammertür, und ich höre das Schütteln und Knarren der Bettstelle.
Von dieser Seite besehen kann ich zufrieden sein, dass sie ertrunken ist. Eigentlich bin ich es auch. In meinem Haus ist es ruhig, schöne Stille, ich liege im Bett und überdenke meine Verhältnisse. Es geht mir nicht schlecht, ich klage nicht, ich habe ein Haus, einen Garten, der nach rechts ansteigt, sich erhebt und in der Ferne verschwindet, ich habe den Birnbaum, der in diesem Birnenjahr im Hintergrund knarrt, den Schuppen mit dem Hackklotz, dem Grabscheit, der Harke, und nun habe ich auch einen Teich hinter dem Haus. Vom Hinterzimmer aus betrachtet ist er von länglicher, ovaler Form, und ich, ein Spaziergänger, ein Bummler, ein In-die-Luft-Gucker, selbst hier am Fenster noch, wo ich nun stehe, ich denke mich in dieser Jahreszeit im Hemd, könnte meinen gelben Gartenhut auf dem Kopf haben, die grüne Schürze um den Leib gebunden, auf meinen leichten luftigen Gartenschuhen tänzelnd über den knirschenden Kiesweg springen. An einem solchen Tag, nehmen wir an, an dem ich die Tür zum Schuppen öffne und die Harke ergreife, wird man mich sehen können, in meinem nach rechts ansteigenden Garten, die Harke geschultert vor Sonnenuntergang, bei meinem luftspringenden Gehen, so müsste es sein, halb in der Vorstellung, halb in der Wirklichkeit hüpfend. An einem solchen Tag, wie ich ihn mir vom Hinterzimmer aus vorstelle, am Abend, bleiben die Geräusche meiner Nachbarn, das Klatschen der Karten, das Zuklappen ihrer Krüge, aus, und ich höre statt dessen das Zwitschern der Vögel, das Glucksen des Wassers im Teich, unter dessen unbewegter Oberfläche die Fische ruhig entlangziehen. Aber in diesem Teich, fällt mir ein, im Dunkeln des Wassers, auf seinem Grund, liegt meine Frau. Mit ihrem schweren aufgeschwemmten Körper, ihrer aufgehaltenen Schürze, ihrem birnenförmigen Gesicht, zwischen den gleitenden flatternden Schlingpflanzen, mit dem aufgeklappten Mund, den Stichlingen in der Mundhöhle, an der Zunge, den Lippen, den Stichlingen festgebissen, mit peitschenden Schwänzen, zappelnd, mit ihrem tropfenförmigen Gesicht, den Stichlingen schwärmend verbissen, dem aufgetriebenen Bauch, den schwarz auf den Schenkeln platzenden Strumpfbändern, den Binsen, den Rohrkolben, der aufgeknöpften Bluse, dem Aufwühlen des Grundschlamms, den Karpfen, den Hechten, in günstigen Lagen zwei Meter lang, dem aufgeklappten Mund, den eingegrabenen Zähnen, dem aufgedunsenen glitschigen Körper, dem zugeklappten Mund, dem weich aufsteigenden Blut, dem Wedeln und Wehen der Wasserpflanzen, den eingeschlagenen Zähnen, dem sich aufbauschenden Rock und, auf der Oberfläche davontreibend, der Schürze mit ausgerupften Küchenkräutern.
Wenn ich meine Frau jetzt, in diesem Zustand, mit dieser Stange herausfische, wenn ich sie in mein Boot ziehe und den Nachbarn zeige, die am Ufer stehen, dann werden sie glauben, ich hätte sie in den Teich gestoßen, mit einem Stein um den Hals, in der untergehenden Sonne, bei einem Abendspaziergang. Einer von ihnen erinnert sich dann an den Schrei, den er gehört hat. Ein anderer spricht von dem Klatschen, das ein Körper, ins aufspritzende Wasser geworfen, erzeugt. Ein Dritter schließlich erwähnt mein Gelächter bei ihrem zappelnden Untergehen, bei ihrem Hinabsinken im Mondlicht hinter dem Haus. Nein, ich suche sie nicht, es ist besser, sie bleibt, wo sie ist, denn wenn sie nicht in der Küche ist, dann wird sie schon in der Kammer sein, und ist sie nicht dort, dann ist sie an einer anderen Stelle und es gefällt ihr, sie spannt ihren Schirm auf, nippt an ihrer Schokolade, legt ihr Korsett ab. Nein, ich, in meinen Pantoffeln im Hinterzimmer, auf das Fensterbrett gestützt, im Schlafrock, ich suche sie nicht, denn wo sie ist, da soll sie auch bleiben, an einem Tisch, auf einer Promenade, Militärmusik spielt, in der Eisenbahn und dort im Abteil für Raucher, mit einem Begleiter, schaukelnd im Takt der Räder.
Die Stange bleibt in der Ecke, im Keller, hinter den keimenden Kartoffeln. Was also, denke ich, während ich das Fenster schließe, ist nun zu tun. Ich glaube, das ist einfach, den Teich, obwohl ich ihn gern sehe, mit seiner bewegungslosen Oberflache, ich schütte ihn zu, ich lasse ihn verschwinden, in einer langen Nacht ist das leicht, ich schütte ihn zu. Mit Erde von meinen Blumenbeeten, Erde von meinem Komposthaufen, mit meinen Einkellerkartoffeln, hinein mit den Kartoffeln, meinem Hausbrand, dazu mit dem Hausbrand, mit dem Eingemachten, dem Gelee, dem Backobst, alles dazu, den Kleidern meiner Frau, dem Stuck Streuselkuchen, vom Morgen übriggeblieben, dem Kanapee und den Gardinen aus dem Wohnzimmer und den Serviettenringen und dem Besuchersessel, dem Kronleuchter, dem Glas Hering in Tomatensauce, dem Gartenschlauch, dem Opernglas, dem Geschirr aus dem Ausguss, dem Photo aus der Zeit mit meiner Frau auf der Reise in die Berge und dem Bleistiftspitzer in Form eines kleinen Globusses und meiner Hutklemme, nein, meiner Hutklemme nicht, dem Buch rautenkranz, dem Buch beerenobst, dem Buch birnenernte und einer Reihe anderer Bücher über die Tätigkeiten im Garten.
So. Der Teich ist zu. Meine Nachbarn, was wollt ihr noch, nun kann euch nichts stören, nichts, ihr könnt euch nichts denken, nichts vorstellen, nichts. Ich werde mich fortmachen, über die Berge, es hält mich nichts mehr, die Gelegenheit ist gekommen, mein Haus ist leer, mein Garten, dieser nach rechts sich erhebende Garten; abgegrast der Garten, mein Teich, zugeschüttet der Teich, ich kann gehen. Durch das Hinterfenster fällt das Licht der aufsteigenden Sonne, ich streife die Handschuhe über die Hände, es ist Zeit, denke ich, knöpfe meine Galoschen zu, den Nachbarn, denke ich, kommen die Gedanken beim Sitzen, rücke den Knoten meiner Krawatte zurecht, sie vermuten vielleicht, ich hätte den Teich zugeschüttet, um die Leiche meiner Frau zu verbergen, stülpe den Hut über den blanken, von der Morgensonne erwärmten Schädel, dann wäre, denke ich, alles umsonst gewesen, ziehe den Rock, wo ist der Rock, den schwarzen Rock über, schiebe etwas Wegzehrung in die Tasche, es ist wahr, denke ich, ich muss mich beeilen, nehme den Schirm von der Wand, falls es Regen gibt, ich werde nicht gern nass, ich liebe das Wasser nicht, schon der bloße Gedanke an Wasser, an einen Tümpel, einen Teich, einen noch so kleinen, macht mir Unbehagen, ich habe, denke ich, keine Zeit zu verlieren, springe die Treppe hinab, stehe schon auf der Straße, fort, denke ich, das ist das Nötigste, klopfe die Taschen noch einmal ab, aha, meine Fahrkarte, ich vergaß sie, also wieder zurück und hinauf, ich nehme die Beine in die Hand und erreiche den Schrank, wo sie liegen muss.
Beim Tasten zwischen gestärkten frisch duftenden Laken werfe ich einen letzten Blick aus dem Fenster, es ist Morgen, ein schöner Tag. Drüben verlassen die Nachbarn den Kretscham. Sie bewegen sich schwankend mit geschüttelten Stöcken auf mein Haus zu, der erste, es ist Beck, steht schon im Garten, der Bierschaum hängt noch an seinem Bart, wo sind Sie, ruft er. Ich ducke mich also und suche die Karte. Das Tropfen des Wasserhahns kommt aus der Küche. Wir sind gekommen, um Ihre Frau zu suchen, ruft Beck, wo ist sie, wo ist Ihre Frau. Ich halte die Ohren zu und stürze zum Hinterausgang, die Treppe hinab, atemlos im Sprung aus der Tür, durch den Garten sehe ich schon den Teich, zugeschüttet der Teich, denke ich, ich kann denken, ich laufe, ich möchte es wirklich beschreiben können, hinter mir höre ich ihr Keuchen und das Stampfen ihrer Schritte, wo ist sie, schreit Beck und schwenkt seinen Stock, wo ist Ihre Frau. Ich komme am Schuppen vorbei, dort steht schon der Baum mit den Birnen, ich habe ihn lange begossen, gepflegt und bespritzt, geradegebunden und ausgeschnitten, ich habe den weißen Ring um den Stamm gezogen und die Vogel verscheucht, die Wühlmäuse erschlagen, und wahrend ich laufe, denke ich an das Klatschen des Grabscheits, an das Quieken der kleinen grauen zappelnden Körper, an das Hochheben und Ansetzen des Obstpflückers, an das Kreischen meiner Frau mit der aufgehaltenen Schürze, breitbeinig in der Abendluft, an das weiche Herabklatschen der Birnen. Das sind die Gedanken, wahrend ich laufe, am Schuppen vorbei und weiter am Birnbaum vorbei und immer weiter mit diesen Gedanken, mein Haus schrumpft zusammen und verschwindet im Hintergrund, wahrend ich laufe und laufe weiter und weiter.